Was hat sich verändert seit 2008 von dem Kanadier Georg Siemens (Begründer der Lerntheorie des Konnektivismus) weltweit der erste Massive Open Online Course (abgekürzt: Mooc) für die Zielgruppe jung-männlich-gebildet durchgeführt wurde?
Zunächst einmal gibt es insbesondere mit oncampus (TH Lübeck, Deutschland) und imoox (TU Graz, Österreich) inzwischen auch deutsch-sprachige Mooc-Plattformen. Damit entfällt eine entscheidende Lernbarriere. Während für die Teilnahme an den Online-Kursen auf imoox keine Kosten entstehen, hat oncampus sowohl kostenlose als auch kostenpflichtige eLearning-Angebote im Kursprogramm. Bei den anderen Online-Kurs-Plattformen ist aus dem Ursprungsgedanken der kostenlosen Bildung für alle längst ein mehr oder weniger lukratives Geschäftsmodell geworden.
Ich selbst habe Moocs erst vor fünf Jahren für mich entdeckt und seitdem mehrere davon „erfolgreich abgeschlossen“. Das selbst gesteuerte Lernen auf universitärem Niveau empfinde ich als unkomplizierte Möglichkeit mein Wissen zu für mich interessanten Themen aktuell zu halten bzw. zu erweitern.
Wenn ich mir den Teilnehmenden-Trichter allerdings so ansehe habe ich am Erfolg und an der Effektivität dieser Lernform zunehmend Zweifel. Von 1000 angemeldeten Teilnehmer*innen schauen sich vielleicht 100 die angebotenen Lernvideos an. In der gleichen Größenordnung bewegt sich die Teilnahmequote in den oft begleitend stattfindenden Webinars. In den extra eingerichteten Foren sieht es noch einmal schlechter aus – nur jede*r 100ste Teilnehmer*in beteiligt sich dort aktiv.
Was ist die Ursache für die Passivität der Kursteilnehmenden und die hohe Abbrecherquote in Moocs?
Die technischen Probleme der Anfangsjahre gehören längst der Vergangenheit an. Die Plattformen sind deutlich übersichtlicher geworden und mit durchschnittlicher digitaler Kompetenz intuitiv bedienbar.

Auch an der Qualität der angebotenen Lernvideos gibt es nur wenig zu bemängeln.
Was die zusätzlich angebotenen Lernmaterialien betrifft, denke ich allerdings oft, dass im Sinne einer didaktischen Reduktion weniger mehr gewesen wäre. Ich nutze kaum etwas davon.
Die gestellten Lernaufgaben erledige ich höchstens dann wenn sie gemeinsam mit anderen erarbeitet werden sollen oder es interessante, neue Tools zu entdecken gibt.
Erwachsene lernen immer dann besonders gut, wenn es beim Lernstoff
- um etwas Neues zu einem Thema geht, was sie wirklich interessiert
- Anknüpfungspunkte zu bereits vorhandenem Wissen gibt
- um Inhalte geht die einen Praxisbezug haben
Diesem Anspruch werden die zahlreichen Link- und Literaturempfehlungen genauso wie die lerndidaktisch oft wenig sinnvollen Lernaufgaben aber nicht gerecht. Ich muss dabei immer an die umfangreichen Literaturverzeichnisse denken, mit denen Student*innen in Diplom- und Doktorarbeiten zu beeindrucken versuchen ohne auch nur einen Bruchteil davon gelesen zu haben.

Bleibt noch das abschließende Lernquiz – üblicherweise Multiple-Choice. Mache ich das wirklich zur Lernerfolgskontrolle, um Badges, das Zertifikat als Nachweis für die Teilnahme zu erhalten oder doch nur zum Spaß?
Wir sind es gewohnt Bildung nach ihrem vermeintlichen Nutzen zu beurteilen und fragen uns entsprechend, ob die durch die Teilnahme an Moocs erworbenen Zertifikate überhaupt anerkannt sind oder welchen Wert sie haben? Gelten sie als Leistungsnachweise im Studium oder bringt es Pluspunkte wenn man sie einer Bewerbung um einen Job beifügt?
Solange wir diese Frage für uns nicht eindeutig beantworten können betreiben wir bei multimedialen Bildungsangeboten – noch dazu wenn sie wie Moocs kostenlos sind – Rosinenpickerei und wählen nur die Inhalte aus die einen hohen Neuigkeitswert und/oder einen konkreten Praxisbezug haben.